Von Bahngleisen, dem Kilimandscharo und einem viel zu zahmen Hirsch

Veröffentlicht am 7. April 2025 um 14:22

Ruf dir den Berg vor dein inneres Auge; diesen riesigen. Denk ihn dir detailreich und groß. Der Kilimandscharo. Sein Bild verfolgt uns im bestmöglichen Sinn seit dem Morgen des 4. April und prägt den Tag bedeutend. 

Wäre es ein Bildschirmbild: zoome heraus; dachtest du es dir wie ein Fenster, so trete zurück. - Rückwärtsperspektive. So tauchen langsam, aber gewahr Schienen auf im Bild. Je näher sie dir sind, desto mächtiger erscheinen sie dir. Von diesem (noch!) sehr stillen Leben bleibt unser Hirsch kaum bewegt. Vielleicht krümmte er ein Ohr, wenn die S-Bahn auf den Gleisen naht. Sonst mampft er einfach weiter munter die für ihn frisch gepflückt Wiesenkräuter. 

Wir wachen im Wald auf. Um viertel nach sieben in der Früh werden wir wach. Keinesfalls tagbereit, drehe ich mich nochmal um. Äußerst kemütelich eingekeilt unter Tisch oder Bank - so schläft sichs am besten. 

Was hab ich ein Glück, unterwegs zu sein mit einem Kamerüdi, der sich des Kaffee machens versteht :p hihi.  Zitat Suli passend zum Thema: "Das ist die einzige Art, mit euch Schupp-Weibern Freundschaft zu schließen. Indem man euch mit Kaffee abfüllt." Hmm

Öfter mal küsst unser Weg hier in der Gegend den Jakobsweg. Als blau oder gelbe Sonne hier markiert, begleitet er uns dann und wann ein Stück.

Wir marschieren die Streuobstwiesen hindurch, und oft geht es Quer. Den Kompass gezückt - immer zur Hand. So laufen wir mal ein Stück gen Westen, mal gen Süden. Und wir sehen, weiterhin: die Vogesen! Fern am Horizont.

Links die Schrebergärten von Ubstadt, rechts die Friedhofskapelle, die meinen Blick gefangen hält. Hier dazwischen auf dem Weg stehen wir, leise staunend. Als wir einer Frau mit pink farbener Weste auf dem Fahrrad begegnen. Sie hält an, bei uns und wir unterhalten uns. Und so ganz mittendrin entsteht ein Raum. Wir erzählen ihr von unserer Reise. Woher wir kommen und wie weit wir schon kamen. Wohin wir, und ich noch wollen. Wir sprechen übers Unterwegs sein, übers Laufen und das Gemeinsam Tun. Und dann erzählt Waltraud und während sie das tut, geht mei  Herz ganz weit auf.

Sie erzählt von ihrem Mann. Von ihrer Schwester und von der Zeit zusammen. Von dem Wanderweg in Schweden. Sie spricht und ihre Augen leuchten und ich sehe alles vor mir. Und dann. Erzählt sie vom Kilimandscharo. Sie und ihr Mann sind ihn einst bestiegen. Wenn es Marmeladengläser zum Sammeln schöner Momente gibt: sie wohnen in dieser Frau, die mich so berührt hat. 

Mit frischem Obst und Gemüse vom Markt in Ubstadt eingedeckt, geht es für uns Tout diréction nach Bruchsal. 

Auf dem Weg dahin: Eine Herde Damwild und unser Hirsch, den ich vor meinem inneren Auge nun immer vor dem Kilimandscharo sehen werde. 

Vor den Toren der Stadt, die uns zu durchqueren Stunden zähren wird, die letzten Weingärten noch im Nacken, nun aber wie angekündigt: wir auf einem Silbertablet für die Sonne zum Vernaschen. Eine Festung, mittelalterlich anmutend, aus Stein und Stacheldraht in gigantischem Ausmaß. Wenn doch auf linker Wegseite verankert, stellt sie sich uns gedanklich und unsere Blicke bindend in den Weg. Eine Justitzvollzugsanstalt aus dem 19. Jahrhundert. Bezeichnend für ihre Geschichte war vor allem das Herstellen des Un-freien Sein der Märzaufständigschen aus der versuchten Revolution 1848. Den Menschen, die aufzeigten, dass die feudalen Systeme längst veraltet und entmenschlichend sind. Tja. Eine Jva ist dieses Gebäude noch immer. Und mir grauselts, wenn ich dahin zurückdenke. Da sind die hohen Zäune des Frauengefängnisses in Preungesheim fast schon einladend, wenn das Prinzip doch bleibt. 

Noch lange über Frei Sein und Un-Frei Sein im Jetzt, aus unseren eigenen Perspektiven heraus sprechend, laufen wir auf freiem Fuß im Schildkrötentempo auf die Stadt zu. 

So empfängt Bruchsal uns mit einer Vielzahl barocker Bauten, die wie eine Allee unseren Weg durch die Stadt säumen.

So schnell wie es uns nur möglich war, füllten wir unsere Vorräte wieder auf: eine Minniportion Mandelmuß für eine Schleckermaus :)). 

Am Ende der Stadt stoßen wir auf die Bahnschienen, an denen wir ein gutes Stück entlang liefen. Der badischen Weinstraße entlang. Irgendwann, nach einem Schlenker durch das Grüne, kam die Zeit, in der wir sie überqueren mussten. 

Mein Herz klopft noch immer, vernehme ich eine Bahn, ob S- oder Zug, ob nah oder fern. Bis in meine Träume haben sie es jedoch nicht geschafft, diese Bahngleise. 

An den ersten Hügeln des Eichelberges machten wir (um 4 Uhr nachmittags) unsere viel zu späte Siesta. Ideal zum Wäsche trocknen, Kaffee kochen, Blog schreiben, PowerBank in der Sonne laden und für Papas Verhältnisse: einen Powernap einlegen.

Erschöpft vom Tag, schnallten wir so erst am frühen Abend unsere voll gepackten Rucksäcke wieder auf den Rücken. Einmal durch Motzenberg hindurch - auch hier gibt es zwei, drei freundliche Seelen. 

Die liebe Abendsonne strahlt uns so sehr an und der Tag endet mit zwei Nasen, die aufs Wasser blicken. Ein Baggersee bei Waldbrücke. 

Lange sitzen wir noch auf einer Bank am See und lachen mit den Enten. 

 

04. April 2025


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Kommentare

Waltraud Straus
Vor 24 Tage

Liebe Paloma,
ich bin im Nachhinein sehr froh, dass mir der Gedanke zum Anhalten kam. Es war ein so tolles und interessantes Gespräch, welches wir in der kurzen Zeit geführt haben. Wünsche Dir und Deinem Vater weiterhin viele schöne Begegnungen. Herzliche Grüsse Waltraud

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