Schattenwandler

Veröffentlicht am 9. April 2025 um 12:11

Ich sitze, in meinen Schlafsack eingekuschelt in einem Büdchen des Rheinkiosks und schaue aus dem Fenster heraus auf den fast schwarz fließenden Rhein. Die Wirtschaft hat längst geschlossen, aber wir konnten mit dem Wirt telefonieren und er wünschte uns einfach Viel Spaß & eine gute Zeit. Ich schaue hinaus und wie es immer dunkler wird, sehe ich bald neben meiner eigenen Spiegelung immer weniger. Es ist gemütlich hier drin. 

So langsam realisiere ich, dass ich auf dieser Reise bin. Fünf Tage. Es ist der fünfte Abend, den ich hier liege und Revue passiere. Weniger als 30km bis Wissembourg, schätze ich. Die Grenze nach Frankreich werden wir morgen überqueren und auch unser "Lebewohl" rückt nun in greifbare Nähe. Ich bin so voller Zuversicht, und ich freu mich ehrlich sehr auf das Ausstrecken meiner Schildkrötenfühler. Nach anderen Wander*innen, nach dem, was kommen kann und dem, was wird. Mir selbst entgegen, und dem Meer. (Dem wirklich sehr :p)

Um VIERTEL NACH SECHS, das stelle sich mal einer vor, klopft es an meine äußere Schlafsackwand. "Mir ist kalt, Hanni. Ich glaub, mein Schlafsack ist nass."

Wir starten neben dem Baggersee auf einem abgelegenen, begrünten Parkplatz - tauübersäht.

Über die "Waldbrücke" geht es für uns ins nächste kleine Örtchen. 

So kommen wir zu einer kleinen Rosskastanienrast in Blankenloch. Eingedeckt mit Frischem und einem riesigen Brot - um das wir später noch sehr dankbar sein werden. Dann machen wir es uns dort, Kaffee schlürfend (& verschüttend) auf dem Marktplatz gemütlich. 

Kilometerweit durch den Wald, und kaum eine Menschenseele ist zu sehen. Und schlimperdiplucks: wir sind in KARLSRUHE!! 

Der karlsruher Stadtwald spuckt uns direkt an einem Park aus, in dem die Ruhepausen nur alle 15 Minuten von einem sehr durchdringendem Tschuuuu unterbrochen werden. Eine kleine Bimmelbahn, quer durch den Park. 

Ein wiederholendes Motiv, diese Gleise. 

Hier zu sehen ist das Kirchendreieck - zur Orientierung muss man sich Stützen bauen, und das war die unsrige; durch Grünwinkel hindurch. Nicht nur dieser Stadtteil, sondern auch davor und zwischendrin ist die Stadt viel grün.

Einem Zeitportal ähnlich käme dieses Kirchenfenster. Und obwohl es uns weiterzieht: hinaus aus der Stadt, bleiben wir kurz stehen und schauen hinüber. 

Wie die Schatten uns verfolgen; diesertags, so sind es nun die Schattenvögel, die meinen Blick bannen. 

Sie erinnern mich an l'histoire de l'oiseau qui a perdu sa chanson, an die Geschichte des Vogels, der sein Lied verlor. 

!! Erster greifbarer Abstand. - Ein Gefühl von "huuii, es ist nicht mehr weit." Bis zum ersten Etappenziel. 39km Wissembourg. 

Hier begegneten wir einer Hand voll so, so herzlicher Menschen. Sprichwörtlich klopften wir an, bei den Saumseen. Mit so viel Herz füllten sie unsere Wasserflaschen. Und erst war einer da, dann kamen immer mehr des Personals, und zuletzt, es muss die Mutter des Hauses gewesen sein. Kam sie auf uns zu. Nahm erst meine Hände zwischen ihre. Dann Papas. Wenn Menschen einem lange in die Augen sehen, das macht was. 

Im Nachhinein haben wir uns gefragt, ob sie uns vielleicht gesegnet hat. Als sie so liebevoll unsere Hände zwischen ihre nahm. Dieses Gefühl von innerer Wärme bleibt bei uns.

Eine Pommes auf die Hand, und dann bleiben wir doch sitzen. Weils so nett ist bei Georg. Und weil Bier und Johannesbeershorle nicht nicht so schnell getrunken wie die Pommes fritiert waren. 

Unser Klopapier ist alle. Vor unserem Aufbruch zur letzten Tagesmeile schauen wir uns gegenseitig vielsagend an - kommen beide mit einer kleinen Rolle zurück. 

Die Sonne geht unter zwischen den bedistelten Bäumen und unsere Schatten verschwinden. Was bleibt, ist ein pures Wir. Und eine Klopapierrolle, die groß Raus will. Ein Rucksack, mit Schwung aufgesetzt und ebendiese Rolle, die fliegt - sehen Sie hier. 

:) Nachtlager im Büdchen des Rheinkiosks & zwei strahlende Nasen. 

 

05. April 2025


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Kommentare

Doris Schupp
Vor 22 Tage

Schöne Bilder und Eindrücke.
Wir freuen uns auf Frankreich.