Unterm Trauerweidendach

Veröffentlicht am 9. Mai 2025 um 22:32

Den Platz unter der Weide suche ich mir zum Schlafen aus. 

Es gibt Tage, da entschließt du dich, wenig zu tun - zu Ruhen und doch kann es dann bis in den späten Nachmittag dauern, bis du das tatsächlich akzeptierst. 

Noch immer ist der Blog wie eine Tigerente  - sie ist immer etwas hinterher. Aber doch dabei. Manchmal, da muss der Tiger einfach sitzen, einfach sein - man möge denken, er kann das gut. Aber das Genießen, das kennt er vom Bär, am Anfang fiel ihm das alleine noch etwas schwer. Jetzt ist er unterwegs und die Tigerente kommt langsam und gemütlich - mal kullernd den Berg hinunter hinterher und er schreibt ab und an einen Brief an den Bär Zuhause. Für diesen Tag verlassen seine Pfoten - die die meinen sind den Campingplatz de la Moselle nicht. Kein kleinstes bisschen. 

Frischer Kaffee wird gekocht und die Sache mit dem Warten und die Sache mit der Geduld geht immer mehr in Natur über. Ich warte also auf mein Kaffeepulver, sich zu setzten (wäre auch nur höflich). Er ist so fein und für alle Komperative zu Fertigkaffee nach dem Weh der Abwesenheit der Bernadette der erste, den ich machte für mich auf diese Weise. 

Ich freunde mich ein wenig mit den Menschen auf dem Zeltplatz an - viele holländische Familien und Rentnerpaare in Wohnwägen um mich rum.

Bei den Nachbarn links kann ich meine Wäsche auf der Leine trocknen und immer, wenn man sich sieht, spricht man ein wenig. Das ist schön. 

Gegen späten Nachmittag zieht zu meiner rechten ein großer Van ein. Ich habe alles genaustens beobachtet  :p - von meinem Platz in der Sonne zwischen den Gänseblümchen. Später gehe ich herüber; sage hallo und lustig ist der Moment, in dem wir feststellen, allesamt Deutsche zu sein. Mit Ulli und Moni rede ich ganz viel - lausche vor allem Ullis Sehfahrtsgeschichten von Vulkangestein und wild, wie weichem Meer ganz gebannt. 

Mal einfach so, einfach Deutsch zu sprechen vor Ort mit den Menschen, die dort sind, das tut gut auf eine Weise, mit der ich nicht gerechnet habe.

Da ist mir meine Salztüte im Beutel aufgeganen und das Salz war üüberall. Moni meinte, als ich ihr das erzählte: "Nicht so schlimm, dann hält das Obst länger."

Miriam mit dem Fahrrad möchte ich auch nicht vergessen. Als ich auf einer Bank in Halbsonne saß; die Füße im Gras, lädt sie ihr Fahrrad ins Auto. Wir versuchten es jedenfalls. Ich würde sagen, es war eher ein kleineres, aber es wollte und wollte nicht in den Kofferraum passen. Miriam arbeitet an der Rezeption und weil sie am nächsten Tag frei hat und eine Radtour machen will, soll es mit heim. Eine "bitchcap" hat sie auf dem Kopf - ich konnte mir nie merken, wie man diese Kappen schreibt, die so aufwandsfrei auf dem Kopf bleiben, aber doch keine "Cap" sind. Ihre war grau-grün und diese Frau war einfach so verdammt cool. Ihre gesamte Ausstrahlung spricht: ich weiß, wer ich bin. 

Später, am Abend, als ich erst mit Moni und Ulli am Tisch im Restaurant saß und später dann mit Pascal fiel es mir auch auf - wie sie allen auffiel. Wenn die Leute ihre Köpfe nach ihr drehten, dann war das, weil sie auch von ihr gesehen werden wollten. Und ich kann dir nicht sagen, wie sie das machte, aber sie sah sie alle. 

Ich suche schöne Sätze und Moni sagt: "Ich bin mir selbst am wichtigsten." Für Ulli ist es umgekehrt, er ergänzt, für ihn sei seine Frau am wichtigsten. Wenn er ein Buch schreiben würde, es begänne mit einer Zeitangabe; gefolgt von einem dramatischen Tusch. 

Zum ersten Mal nach über vier Monaen habe ich an dem Tag Alkohol getrunken, das war eine Geschichte. Ich war mal kurz weg, meinen Pulli holen und traf dabei zwei Achener, die mit dem Fahrrad biwakend unterwegs sind. Carsten und Joel. Sie schlafen am liebsten im Wald, weil da morgens weniger Tau ist und man morgens schneller wieder on the road ist; falls doch mal jemand vorbeikommt. Ich freu mich riesig, dass die beiden jetzt den Sprung in die Vogesen machen, die ich so liebe. Vielleicht haben sie ja auch bei Rocher de Corbeau übernachtet - wie Lyderic und Hazel eine Weile zuvor. Das gäbe einen richtigen Kreis. Als ich zurückkomme an unseren Tisch, steht da ein Bier auf meinem Platz. "Magst du doch?", sagt Ulli. Und mochte ich tatsächlich. 

Neben den vielen bewegten Bildern, sind da die Feuer der Chimäre bei Mühra in der Türkei und das Bild der Löcher im Sand - Gas kommt da aus der Erde und wer es anzündet, hat ein Feuer zum sich erfreuen.

Pascal war Teil meines besonderen Moments - als ich gesehen habe, dass es wirklich doch ein paar Menschen sind, die diese Worte hier lesen. Das war ein bisschen unglaublich. Und er saß mir gegenüber, mein Löffel noch im Eis, das viel zu süß und doch auf der Zunge zerging und da waren wir einfach zwei Menschen, die miteinander staunten. Über das Leben und, ach, wie schön ist es, Freude zu teilen! 

 

29. April 2025


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Kommentare

Sebastian
Vor 2 Monate

Liebe Johanna,
die liebsten Grüße erreichen Dich von der Zugspitzhütte in Lützelbach.
Ich sitze hier und lese Deine schönen Texte, ganz beseelt, und starte damit in einen wunderbaren Tag. Danke dafür!

Bernd - Neunkrichen
Vor 2 Monate

Hi Johanna
Ich stöbere gerade in deinen Berichten - und eine Stelle, sie ist schon über zwei Wochen her, ist mir besonders eingegangen: Miriam, vom Campingplatz, über die du sagtest, sie strahle aus "Ich weiß, wer ich bin!" ... und alle wollten von ihr gesehen werden
Wunderhübsch und eingehend dieser Eindruck

Liebe Grüße aus Neunkirchen - Bernd :-)

Carsten
Vor 2 Monate

Hi Johanna,
da schaue ich gerade seit langem wieder in deinen Blog und hab mich sehr gefreut auch drin aufzutauchen 😄
Es war echt mega cool dich zu treffen und Erlebnisse mit dir zu teilen. Echt toll jetzt auch noch mehr von dir lesen zu können.
Wir waren tatsächlich am Roche des Corbeaux! Das war echt ein super Spot und es war wundervoll dort im Freien zu schlafen und im Sonnenaufgang zu frühstücken.
Wir sind mittlerweile seit fast zwei Wochen wieder im Alltagstrott in Aachen, erinnern uns aber gerne zurück an die tolle Tour und die tolle Begegnung.
Ich wünsche dir noch viele weitere schöne Erlebnisse und dass du die Zeit weiterhin genießen kannst.
Viele Grüße
Carsten