Das kerzenhelle Wohnzimmer

Veröffentlicht am 19. Mai 2025 um 12:34

Meine Füße gehen tap, tap tap die Treppen hoch. Als ich auf dem Weg zum Bad die Tür vom Zimmer öffnete, hörte ich leise die Tassen klappern. Ich geselle mich zu den beiden an den Esstisch. Heute ist Samias und Mourads Tag. Es ist so schön, wahrzunehmen, wie zwei Menschen einander so sehr wertschätzen. Vielleicht kommt es auch ein bisschen daher, dass sie mir so begegnen - so herzlich und offen: voller Platz im Herzen. Vielleicht, weil sie es sich gegenseitig weiten - jeder eine Reise zum sich und dabei zusammen. Gerade, weil es nicht alles ist, das man zusammen macht. 

Nur ein paar Tage, bevor ich da bin in der Herberge ihres Hauses, waren sie im Schnee. - Neben dem Mont Blanc! Samia fährt in ein paar Tagen nach Paris - alleine. Da ist die Neugierde in ihren Augen, als sie davon erzählt. Und die Vorfreude  - ein bisschen Respekt ist auch dabei - vor diesem Schritt und was passiert, wenn sie ihn tut. Sie haben eine Schreibmaschine, eine alte und ganz viele Schallplatten. Sie lieben es nämlich, auf Flohmärkte zu gehen - das war auch ihr Plan für den Tag. 

Während ich gemütlich frühstücke - Joghurt und Orange und warmes Baguette - suchen sie sich einen Markt heraus, den sie an diesem Tag besuchen wollen. 

Nach dem Frühstück bindet Samia mir meinen Druckverband und hilft mir, einen Überblick durch all die Utensilien zu bekommen, die Joël Tags zuvor bei der Apotheke besorgte. Sie erklärt mir, wie ich das machen muss und ich schaue ganz genau hin & versuche, mir alles zu merken. "Am besten wäre es, wenn du jemanden findest, der dir hilft, die Bandage zu machen.", sagt sie. 

Wir verlassen gemeinsam das Haus und als ich auf die Festung Vaucouleurs zuhalte, fahren sie im Auto winkend an  mir vorbei. So warm dieses Gefühl.

Ich laufe los und es ist wirklich Schritt für Schritt. Ganz langsam, sage ich mir.

Ich rufe bei Danielle an, die ein Bed & Breakfast in Maxey-sur-Vaise hat und frage sie, ob sie für heute Abend noch ein Zimmer hat. - Hat sie. 

Viele Kühe sehe ich und das Wetter ist ein bisschen rau, aber das tut gut; vor allem in meinem Schritt für Schritt Takt. Da sind eine Reihe von gepflegten Schrebergärten und in einem hing sogar eine Hängematte. Da war ich ehrlich kurz versucht. :p 

Ich liebe, auf die Linien der Hügel zu blicken, die ao malerisch diese Landschaft bilden.

In Sepvigny, einem wirklich, wirklich kleinen Dorf bleibe ich  - den Finger hoch erhoben  - in dem Bushäuschen für eine Mittagspause. Solange ich noch versuche, den Finger so wenig wie möglich zu bewegen, suche ich mir für Pausen immer eine Bank. Vor allem zum Rucksack absetzen. 

Manchmal muss man mal, und dann hat man so ein Gefühl und dann war es die Tür, direkt mir gegenüber. Während ich aß, hatte ich sie stets im Blick. Man könnte sagen, sie sei meine Gesellschaft gewesen. Nach dem letzten Bissen - die Sachen fast verstaut - nehme ich ein bisschen Mut zusammen und gehe vor; klopfe an der Tür. Erstmal passiert nichts und ich will schon zurückgehen - dann geht sie auf. Und Cyril steht im Türrahmen. Ich frage ihn, ob ich kurz auf Klo gehen kann bei ihnen, und er sagt "Na klar" und öffnet die Tür ganz weit für mich. 

Er fragt mich dann, ob ich noch etwas bleiben möchte - etwas Trinken vielleicht und dann holen wir meinen Rucksack, der noch auf der Bank im Bushaltestellenhäuschen steht, herein und Cyril macht mir einen Kaffee. 

Bevor ich aber richtig eintrete in ihr Heim, bleibe ich ersteinmal im Hausflur stehen. Weil es ist so, so hell hier. Mit viel warmen Licht. Es ist ganz viel Platz, und auf jedem Fensterbrett, Tisch und jeder Anrichte steht eine Kerze. Es ist Sonntag. Ein richtiger Sonntag im Gefühl. Als ich da saß, mit der ganzen Familie am Tisch, da dachte ich, genau so möchte ich, dass sich meine Sonntage anfühlen.

Elise hat auch eine ganz ruhige Ausstrahlung. Sie arbeitet mit Kindern zusammen, denen der Alltag schwerer fällt als anderen. Loulou, ihre Tochter rennt um den Tisch, klettert mal auf den Schoß ihres Vaters, dann zu ihrer Mutter und versucht anschließend, ihren großen Bruder Sasha wortwörtlich vor die Tür zu ziehen. Ganz viel erzählt sie von der Grande Tempête, die sie gestern gesehen hat. Von den Éclairs und wie laut es war. Ja. Denke ich. Genau so:). 

Elise wird von ihrer Familie liebevoll Hexe genannt - da musste ich schmunzeln und sehr an dich denken und daran, wie du mich auch liebevoll die deine nennst. Sie mag das gar nicht so, aber ich meinte zu ihr, sie kann ja auch eine weiße Hexe sein. Der Mythos mit den langen Nasen und warzigen Gesichtern ist doch gar zu alt und soll doch nur Frauen diffamieren, die sich verdammt gut in ihrer Sache auskennen. "Wenn du so eine Liebhaberin des Mystischen bist, dann musst du dir den alten Friedhof in Maxey-sur-Vaise anschauen. Der wird dir gefallen, sagt sie." 

Den Klimax Caillou - Pierre - Rocher habe ich von ihnen gelernt. 

Das sind Sasha und ich. :)

Vielleicht wird es dir auf den nächsten Fotos noch ab und an auffallen - das sich hier und da ein Finger auf ein Foto schleicht. Das passiert nun mal, wenn er stets erhoben mir zur Seite steht. ^^

Hier vor der Tür treffe ich Sofie. Danielle, der das B&B gehört, war nachmittags unterwegs und so sollte ich sie anrufen als ich um Fünf dort ankam. Einmal tutet es und sie kommt um die Ecke. Julien, ihr Mann, ist Danielles Sohn und sie wohnen direkt nenebenan.

Sofie kommt mit nach oben und zeigt mir alles. Wenn ich fertig mit einrichten bin, sagt sie, kann ich zu ihr rüber kommen und sie hilft mir, den Verband neu zu machen. 

Bei Sofie sind ganz viele große, hohe Fenster. - Das Licht kann rein und raus. Und Pflanzen stehen überall. Es ist ein Haus aus Stein und es gibt ganz viele Holzelemente überall. Gleich fühle ich mich ein bisschen Zuhause. 

 Claire fragt mich, ob ich zum Abendessen bleiben mag und so sitze ich wieder im Kreise einer Familie. Mit einem blütenweißen Verband und Sofie hat Spargel gekocht. Der im eigenen Garten gewachsen ist. 

Sie sind zu viert, Julien, Sofie, Claire und Camille. Camillie ist so alt wie Karli und Claire in Noras Alter. Es ist also wirklich fast wie Zuhause. Kurz bevor ich dann rüber gehe - in mein Zimmer für die Nacht, sagt Claire zu mir: "C'était un plaisir de dinner avec toi et avoir fait ta connaissance." 

 

04. Mai 2025


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