Ein Roboter mit Gefühl

Veröffentlicht am 27. Mai 2025 um 01:07

Wir wachen in einem der gemeinsamen Schlafsääle auf. Viele Matratzen liegen auf den Böden und es gibt auch Betten. Lison und ich liegen in dem Raum mixed - hier können alle schlafen. Durch einen Gang weiter hinten im Raum zugänglich befindet sich einer, der ausdrücklich für Flinta+ Personen gedacht ist. Also für Frauen, Trans-Personen & unterm Strich für alle nicht cis-Männer. Um Räume zu schaffen, in denen sich Menschen sicher fühlen, die Erfahrungen gemacht haben, die sie mit bestimmten Personengruppen unsicher fühlen lassen. 

Das Schaffen von Save-Spaces; "Atem-Räumen" begegnet mir immer wieder, wenn ich in Gemeinschaften bin, die sich organisieren wie hier in Bure: weit-denkend, quer und grundsolidarisch. 

Ich mag es hier sehr. 

Schon allein die Küche. Die Töpfe und Pfannen sind riesengroß und am Tisch ist Platz für viele Personen. Wenn einer kocht, kocht er für alle. Es ist alles da und es ist immer genug auch für dich. Jeder Mensch ist eine Bereicherung; es ist wie ein Puzzle, das einer einst anfing und ein anderer fand ein anderes Teil und nun geht es in alle Ebenen und mit jedem, der sich daran beteiligt, wird es vielfältiger. 

Es geht nicht mehr nur um ein Dagegen. Im Widerstand gegen die nukleare Vermüllung ist das Zusammenleben, das gemeinsame, das Offene zu einem Dafür geworden. Im Hier Leben manifestiert sich der Widerstand. All das bunte Leben ist Ausdruck für das, was ist. Und das hier, das ist echt.

Manche, wie Bulle (Büllə gesprochen) leben seit 10 Jahren hier. Andere kommen öfter im Jahr für einen Monat, eine Woche oder immer wieder ein paar Tage her.

Die beiden Frauen, die auch wie wir gestern hier ankamen und wie ich auch zum ersten Mal ihre Füße auf diesen Grund setzen - Alma und Astra sind ihre Namen hoffe, glaube, denke ich mich zu erinnern - werden des Morgens von Lison interviewt. Ich nutze die Zeit zu schreiben. Haach, was ist das eine Freude, mit einem Laptop zu tippen. Das Schriftstellerequivalent zum Gaumenschmaus ist das. Die zwei Frauen malen mit Aquarell und Astra zeigt mir ihren Block, in dem sie Orte malt, an denen sie ist. Gerade auf dem Weg nach Draußen, in der Scheune bleiben wir stehen. Das ist wie ein Türrahmengespräch; nur die Welt ist unser Ramen, unser Raum. 

Manchmal, da denke ich, ich glaub es kaum, was ein Glück - meine Füße auf diesen Boden zu stellen. Und diese Menschen. Die mit mir stehen. Manchmal ein Stück mit mir gehen. 

Dieser Platz im Garten, ich glaub, hier baumeln die Gedanken, und etwas ist es auch, dass einen wichtige Gespräche hier leichter führen lässt. Sonntag half er erst Mathilde, und dann auch mir: leichter zu sprechen. Das können Orte, einem die Sprache entlocken, wenn man bereit dazu ist. Bereit, sich zu offenbaren. Deswegen, wie klug von ihr, diesen Ort zu wählen für ihr Inquiète. Später, für die anderen Gespräche sind es andere Orte, und wahrscheinlich muss es immer auch einfach ein bisschen passen. Zu den Menschen. Dass der Ort dich sprechen lässt - dir eine Leiter sein kann. Sodass du deine Wolken wieder überblicken kannst. Manchmal braucht es nur eine Stufe. Ein anderes Mal ist es vielleicht eine mehr, oder auch zwei. Die Wahrheit bleibt aber am Boden wie mein Satz im Kaffee: von woanders aus sieht alles anders aus. Auch ein anderer ist ein Ort. Wie sieht es wohl in ihm aus, oder in ihr? 

hihi, ich hab mich wirklich sehr gefreut, wie du siehst. 

Daniel und ich machen einen Spaziergang - er hat sich mir gestern vorgestellt. Beim Abendessen redeten wir ein wenig und nachdem ich ihm sagte, Ja, ich fände, Daniel klänge nach dem Namen eines gefallenen Engels, da nimmt er meinen Teller und sagt, ich spüle für dich. Einen Engel hat mich noch nie einer genannt. 

Auch wir saßen erst zusammen im Garten, als wir entschließen, eine Runde spazieren zu gehen. Ich lasse meine Schuhe weiterhin aus und strecke weit meine Zehen, und das ist ehrlich eine andere Art von Glück. 

Daniel erzählt mir von dem Buch, das sein Empfinden von Emotionen, der seinen und der anderer verändert - Empathie potenziert hat. Und eigentlich macht das gar keinen Sinn. Denn in dem Buch ging es um einen Roboter, der versucht, zu fühlen. Dass der Autor sich darauf konzentriert, welche Gefühle er erzählen möchte und was zwischen den Menschen passieren soll. Erst danach habe er eine Handlung gestrickt. 

Seit einem Monat lebt er im Kollektiv, und mit ihm zu laufen und zu gehen, zu überlegen, sprechen und stehen zu bleiben, hat etwas tief Gehendes. Aber es rollt so einfach von der Zunge. Obwohl es alles andere als einfach ist. Aber er geht diesen Schritt und ich frage mich wirklich, ob es einen Unterschied macht für den einzigen Moment, wenn wir neben dem Heute auch über das Morgen und famos genau über das Gestern Bescheid wüssten. Wüssten wir alles, was es auf dieser Welt zu wissen gibt, könnte dir dann eine Interaktion mit einem anderem (dennoch) etwas geben? 

Ich habe so viel inneren Frieden. Ich weiß, es ist Leben im Haus; ja, da sind Geschichten, die noch erzählt werden wollen und Puzzleteile aneinandergefügt, aber es ist auch hier, dass ich lerne, zu bleiben.

Die anderen sind rein gegangen, ich bleib noch ein bisschen. Etwas zieht mich wieder in den Garten. Auf diese Couch aus Holz neben dem Outdoor-Klo, und ich liebe die Nachmittagssonne, die sich dem Abend zuneigt und ich liebe, zu sein.

 

10. Mai 2025


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