Was heißt das wohl, leben?
Die Sonne gehört dazu und wir lieben sie so, weil sie uns wärmt. Mal den Rücken beim Laufen, in der Pause die Schuhe und immer wieder das Herz. Wir sehnen uns nach ihr, ist es in uns dunkel. Nicht immer kommt sie durch zu uns, wie auch das Lächeln eines Menschen uns nicht immer auffällt, wenn es uns auf den Weg fällt. Doch tut es das - fällt es uns auf, fällt es in uns.
Ich gehe los aus Bure, dem Straßenverlauf folgend über Saudron und kurz muss ich an den großen Sauron denken, aber der könnte hier nicht ferner sein. In Pansey finde ich auf kurze Strecke wieder zurück auf meinen Weg, um ihn gleich darauf wieder zu verlassen - für einen Abstecher nach Joinville. Ab und an muss auch eine reich beschenkte Frau wie ich ihre Füße zu einem Supermarkt hinbewegen und es liegt schon in der Luft: dieser Regen, der dann kommen wird.





Nach dem Regen kommt die Sonne. Das ist eine Wahrheit, die richtig einsinkt in mich mit jedem fallenden Tropfen. Es ist kein Sehnen nach ihrer Wiederkehr; viel mehr ein Wissen um ihr (Wieder-)kommen. Aber die Sonne ist es nicht, die mich diesen Moment so genießen lässt. Es ist der Regen und es ist dieses Tal, es ist das Loslassen, es ist der Weg nach unten und die Töne in meinem Innen, die heller und heller werden, es ist der Regen. Dieser Moment gehört nur mir und es ist als könnte ich spüren, wie ich wachse.















Wie Zeitportale erscheinen mir diese Kirchenfenster, und ich frag' mich, wohin würden sie mich katapultieren, stiege ich ein. In den Kreis.



Joinville war ein ganz herz-haftes Städchen und das auf die charmanteste Weise. Es ist schon Abend, als ich dort ankomme, aber ich finde alles, was ich brauche. Wie schön die engen Gässchen und wie verleitend die Ufer des Flüsschens auch sind: mein Blick heftet sich stets wieder auf die grünen Wipfel rund umn die Stadt und so suche ich bald wieder einen Weg hinaus. Hier finde ich bestimmt einen Schlafplatz, denke ich und ich laufe und ich laufe. Schön den Berg hinauf; die Straße der Kühe entlang und an den letzten Häusern vorbei. Die Gärten am Rande der Stadt haben das Flüstern verlernt.
Vielleicht war da auch einfach ein anderer Ort, der noch auf mich wartete an diesem Abend, ein Ort, an den ich noch musste, weil hier noch eine Geschichte und Menschen auf mich warteten, die sie mir erzählen wollten.
Aus dem Wald bog ein bepflasteter Weg zu einem Haus, und mir schien, als wäre da jemand, der mich beobachtete. Vielleicht täuschte ich mich, vielleicht auch nicht. Aber dort, auf der Terasse saßen Kelly, Sihem und Laurianne. Schon fast, bevor wir beginnen, uns zu unterhalten, fragen sie mich, ob ich Campen möchte. Damit nimmt Kelly mir ein wenig den Wind aus den Segeln. Sie sagen, ich kann gerne mein Tarp in Lauriannes Garten aufschlagen.
Erst später, als ich mich zu den beiden auf die Terasse geselle und Sihem mir das letzte Stück ihrer Tiramisu gibt, verstehe ich, dass mein Schlafplatz von Bedeutung ist. Für einen Moment sind wir alleine: Laurianne und ich und es liegt in der Kraft des Moments, dass sie meinen Arm, meine Hand; mich greift, als sie mir sagt, dass der Baum - die Linde, unter der ich in der Nacht liegen werde für ihren Bruder ist. Fabian. Letztes Jahr hat er sie verlassen und am Sonntag kamen Freunde und Familie und pflanzten diesen Baum in einer Zeremonie für ihn. Gerade mal drei Tage ist er da und ich bin so berührt, dass ich mit ihr weine. Fabian ist gerne Campen gegangen und so viel von dem, was Leben für sie ist, fängt mit ihm an.
Ohne es zu wissen, hat sie mir viel über das Schreiben beigebracht. Denn, wenn ich aus mehr als nur einer Perspektive erzähle, dann muss ich mich zu jedem erdenklichen Zeitpunkt von den Personen wieder lösen können - loslassen wie im Regen. Dass, wenn mehr als einer erzählt, auch mehr als eine Wahrheit nebeneinander existieren. Weil wir Menschen sind. Und darum ist im ersten Augenblick - rein subjektiv - jede Perspektive, jedes Glauben echt.


"Und der Mond und der Mond lacht über uns." - MINE.
12. Mai 2025
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