09.07. Die einzige Straße

Veröffentlicht am 10. Juli 2025 um 09:43

Natürlich wird mir was fehlen. Unsere Gespräche, unser Beisammen- das mit dem anderen Sein. 

Und fehlt mir doch nichts. Gerade das ist das schöne Paradox. Von Gegenwart und Präsenz - Abwesenheit wird immer ein Teil sein. 

Meine Augen sind noch ganz verklebt. Opas Katzenkissen guckt zu mir rüber, meine Uri hat es gemacht & ich trinke frischen Kaffee aus einem Pappbecher, den Opa geholt hat. 

Ich freue mich auf die nächsten zwei Wochen & ich freue mich sehr über die diese. Manchmal muss man langsamer gehen. Langsamer gehen, um zu sehen. Eine Ente zum Beispiel. Auch ohne Tigerstreifen. Aber die meine freut sich.

Auch mein Hut ist ein bisschen geknickt.

& hier saßen wir gerade noch auf einen Crêpes sucré.

Nachdem Opa in den Zug gestiegen ist, gehe ich die Straßen, die wir zuvor zusammen gingen. Ich hoffe, jetzt schläft er ruckelnd und an die Katze gelehnt bis Heidelberg. 

Ich bin noch nicht ganz aus der Stadt draußen, da begegne ich Jules und seinem kleinen Bruder Gabriel. Ich frage die zwei Jungs, ob sie wissen, wo ich hier in der Nähe einen Wasserhahn finde - zum Wasser auffüllen. Der erste Wasserhahn, der dem 10-jährigen Jules einfällt, ist der bei ihm Zuhause. Er lässt sich meine Flasche geben und ist flucks auf seinem Roller verschwunden. Und kommt mit zwei 1,5l Flaschen zurück. Ich packe Wasser ein, so viel ich Platz habe und Jules fragt mich, ob ich Zeit hätte, ein wenig zu diskutieren. Die habe ich. Ich erzähle ihm von meiner Reise und er fragt mich, ob mir "mes proches", meine Nahen, meine Liebsten nicht fehlen. Ich sage Ja. Aber das macht es nicht weniger schön. Er erzählt mir von seiner Leidenschaft fürs Zeichnen und von dem Daumenkino, das er gestern Abend gemalt hat, nachdem er merkte, vom Fernsehen bekommt er Kopfschmerzen. 

Bald laufe ich auf der anderen Seite des Kanals. Erst durch eine Schattenallee und dann der einzigen Straße folgend zwischen Feldern und Kuhweiden. Unterwegs finde ich einen Fahrradfahrer, der Wasser gut gebrauchen kann und so gehe ich leichter weiter. Es ist warm und nach meiner Nachmittagspause im Schatten fühle ich mich ein bisschen wie eine Kuh. Ganz gemächlich. Und schau sie dir nur an. So ganz in ihrer Ruhe. Manchmal - und das eigentlich viel öfter, denke ich, sollten wir unsere innere Kuh channeln. Denkst du nicht auch? 

Grießbrei mit Sylvies Aprikosemarmelade, Zimt und Kekskrümeln. 

Beim Spülen in Le Grand Vay, wo ich auf einem Platz gegenüber der drei Motorradfahrer liege, treffe ich Thorsten. Ich spreche ihn auf Französisch an und wir unterhalten uns ein bisschen gebrochen. Aber ich würde sagen, er schlägt sich gut. :p

Seine Frau heißt auch Johanna und ich mag seine Art sehr. In jeder Bewegung steckt sehr viel Leben drin.

Schaut her, ihr Leut! Seht ihr diesen Schwamm? Den hat Thorsten mir geschenkt. Weil meiner so ziemlich am Ende seiner Tage angelangt war. 

Sein (Thorstens; nicht das meines Schwamms) größes Jugendabenteuer spielte sich im Sommer 1990 ab, in den zwei Wochen zwischen schriftlichen und mündlichen Abiprüfungen. Da düste er mit seinem besten Freund, der immer noch der nächste ist, über die Grenze in die ehemalige DDR. Mit Auto und Zelt. Klingelte bei Leuten, und es war ein bisschen wie das, was ich gerade mache. Einmal, da begegneten sie einer Gruppe Menschen, die in etwa ihr Alter hatten. Beim Marschieren landeten sie im Wald, und da richtete sich einer der anderen auf und rief mit voller Kraft in den Wald hinein: "Scheiß Stasi!" und die Gänsehaut hält bis heute an.

Mond über Meervorland. Fast ist er voll. Der Stein unter mir ist fast noch warm. Viel berührt von der Sonne. Meine Bewegungen gehen sanft. Wie die Finger das Papier halten; glatt streichen. Ich bin bewusst. Bin da. Auf dem linken Ohr laufen Grillenzirpenfrequenzen und auf dem rechten Töne, die durch mich tropfen wie das Wasser der See an einem wolkenfreien Tag. Himmel und Wasser haben gerade die selbe Farbe. Siehst du ihn auch, diesen hellen Mond? 

 

09. Juli 2025


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Kommentare

Gitti Fiedler
Vor 7 Tage

Ganz toll Johanna 😅, ich bin voller Bewunderung 👏. Lass Dich weiter beeindrucken auf deinem Weg, noch viele nette Begegnungen und hoffentlich ab und zu ein kühles Fußbad😉. Grüß mir die wunderbare Normandie und Bretagne😎

Torsten
Vor 7 Tage

Hallo Johanna, ich hoffe, dass du auf deiner Reise noch viele schöne Momente erlebst und dass der Schwamm dir gute Dienste leistet ;-)
Schön dich kennengelernt zu haben.
Torsten

Nathalie
Vor 7 Tage

Coucou Johanna
Une pensée chaleureuse et c est tellement chouette cette aventure que nous fait vivre !! Continue,continue à nous faire vibrer !!
Un gros câlin !!!
Nathalie

Michael Solfrank
Vor 6 Tage

Liebe Johanna es war eine sehr schöne Woche.Ich habe viel Neues und Interessantes gesehen. Die netten und manchmal auch tiefgreifenden Gespräche während unserer Wanderung herzlichen Dank dafür.Ich glaube du bist auf dem richtigen Weg. Dein Opa